vlnr Wilhelm H. und Dr. Erik Engel bei der Bluttransfusion in der HOPA in Hamburg im August 2019

"Ich frage mich oft, wessen Blut in meinen Adern fließt"

Geschrieben am: 23.06.2020

Seit sechs Jahren erhält Wilhelm H. regelmäßig Bluttransfusionen – und führt damit ein glückliches Leben

Knapp drei Wochen lang hatte ich auf mein Treffen mit Wilhelm H. gewartet. Als er 14 Tage vorher seine letzte Bluttransfusion in der Hämatologisch-Onkologischen Praxis Altona – kurz HOPA – erhalten hatte, war er gefragt worden, ob er bereit wäre, seine persönliche Geschichte mit der Öffentlichkeit zu teilen. Er war es. Und nun sitze ich ihm in der Tagesklinik der HOPA gegenüber und begrüße einen Mann, der so gar nicht in meine Vorstellung eines 80-jährigen, kranken Menschen passen will. Gut sieht Wilhelm H. aus: sommerlich gebräunt, volles, weißes Haar, aufrechte Körperhaltung. Er strahlt Optimismus aus.

Alle 14 Tage erhält Wilhelm H. eine Bluttransfusion. 560 Milliliter roter Blutkörperchen - sogenannter Erythrozyten - eines fremden Blutspenders werden bei jeder Transfusion in seinen Körper geleitet. Das entspricht derjenigen Menge, die in einem Liter Blut eines Gesunden enthalten ist. „Kurz nachdem die Knochenmarkerkrankung  vor knapp sechs Jahren diagnostiziert wurde, erhielt ich nur alle vier Wochen eine Transfusion. Mittlerweile musste das Transfusionsintervall verringert werden“, berichtet Wilhelm H.

Der gebürtige Nordrhein-Westfale, der als junger Mann nach Hamburg kam, leidet an einer Erkrankung des blutbildenden Knochenmarks, einer sogenannten Myeloproliferativen Neoplasie (MPN), die dazu führt, dass der Körper nicht mehr selbst ausreichend Blut produzieren kann. Die deshalb als Sauerstoffträger fehlenden roten Blutkörperchen würden ohne Transfusion zu einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit oder gar zu einer unmittelbaren Lebensgefährdung durch Sauerstoffmangel führen.

Wilhelm H.

Direkt nach der Bluttransfusion fühle er sich jedes Mal viel besser. „Das ewige Leben haben wir doch alle nicht gebucht“, sagt H. augenzwinkernd. Bis zu seinem 70. Lebensjahr sei er niemals krank gewesen. Seitdem die Bluterkrankung bei ihm festgestellt worden sei, habe er gelernt, mit einigen Einschränkungen zu leben und könne sich damit gut arrangieren. „Zu einem Marathon würde ich mich nicht gerade anmelden“, lacht er, „aber ich lasse mich ganz sicher nicht hängen. Mittlerweile bewege ich mich vorsichtiger, aber ich habe in der ganzen Zeit meiner Krankheit noch nie Panik bekommen“.

Beeindruckend finde ich diese absolut positive Lebenseinstellung, die sich Wilhelm H. trotz seiner schweren Erkrankung bewahrt hat.
 
Mittlerweile hat Dr. med. Erik Engel - Hämatologe und gleichzeitig geschäftsführender Gesellschafter der HOPA - die Präparate aus roten Blutzellen gebracht, die nun in den kommenden rund anderthalb Stunden langsam durch den Zugang in Wilhelm H.s Vene in seinen Körper fließen werden. Eindringlich erklärt Dr. Engel mir noch einmal, dass es zu der Behandlung mit den Präparaten aus Spenderblut für viele Patienten einfach keine Alternative gebe. Der Bedarf nehme in den letzten Jahren sogar eher zu. Diese Aussage scheint für mich schon allein dadurch bestätigt, dass die Räume der Tagesklinik in der HOPA bis auf den letzten Platz mit Patienten belegt sind. „Die regelmäßigen Bluttransfusionen bedeuten für viele kranke Menschen, dass sie ein nahezu normales Leben führen können“, sagt der Onkologe.

Das trifft sicherlich auch auf Wilhelm H. zu. Er sei jedoch sehr selbstkritisch und erkenne heute, dass er als jüngerer Mann lange Zeit eher oberflächlich gelebt habe. Über Themen wie das Blutspenden habe er niemals nachgedacht. „Heute bin ich auf andere Menschen angewiesen, die sich in dieser Form engagieren. Da verändert sich die Sicht auf das Leben“, findet Wilhelm H.

Dem Ärzteteam in der HOPA vertraut der 80-Jährige voll und ganz. Während er die Bluttransfusionen erhält, würde er sich immer wieder fragen, wer ihm wohl gerade dieses Blut gespendet habe. Jede Transfusion fühle sich anders an, betont er. Eine tiefe Dankbarkeit würde er dann verspüren, dafür, dass fremde Menschen ihm mit ihrem Einsatz als Blutspender sein Leben erhalten würden. „Über die kleinsten Details meiner Krankheit möchte ich gar nicht Bescheid wissen. Ich fühle mich wohl und solange ich keine Schmerzen habe, bin ich zufrieden“, sagt er. „So kann es gern weitergehen“.

Über den letzten Satz von Wilhelm H. denke ich noch länger nach. Ich wünsche ihm, dass er noch ein langes und glückliches Leben führen und sich seinen Optimismus immer bewahren kann. Möglich machen dies auch die Menschen, die etwas ganz Persönliches von sich für andere Menschen geben – Blut. Den kostbaren Lebenssaft.

Termine und Informationen zur Blutspende unter www.blutspende.de (bitte das jeweilige Bundesland anklicken) oder über das Servicetelefon 0800 11 949 11 (kostenlos).

Hämatologisch-Onkologische Praxis Altona (HOPA): www.hopa.de/unsere-praxis/die-hopa/

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Fotos: ©DRK-Blutspendedienst


Autorin Susanne
Susanne

Liebt als gebürtige Kielerin Wind und Meer und freut sich, dass sie auf vielen Terminen zum Thema Blutspende in Hamburg und Schleswig-Holstein Land und Leute immer besser kennenlernt.

Pressereferentin beim DRK-Blutspendedienst Nord-Ost am Standort in Lütjensee, Schleswig-Holstein